Wallfahrten sind aus allen großen Weltreligionen bekannt. Im Judentum sollten alle Männer dreimal im Jahr zum Tempel in Jerusalem pilgern, im Islam soll jeder gläubige und Muslim einmal in seinem Leben die Hadsch nach Mekka unternehmen, wenn er sich diese leisten kann.
Im Christentum haben sich im Mittelalter vor allem drei große Pilgerziele entwickelt: Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela. Diese drei Pilgerziele zusammen mit zahllosen kleineren Wallfahrtsorten sorgten dafür, dass sich ein dichtes Netz von Pilgerstrecken in ganz Europa entwickelte. Das heute bekannteste Netz von Pilgerwegen führt aus allen europäischen Ländern zur nordwestspanischen Stadt Santiago de Compostela, zur Kathedrale, in welcher nach christlicher Überzeugung der Apostel Jakobus begraben liegen soll.
Bild von Andre_Grunden auf Pixabay
Der Jakobsweg
Die Grabstätte des heiligen Jakobus gibt dem Wegenetz des Jakobswegs seinen Namen. Zum ersten Mal wurde der Name in einer Urkunde des Krankhaus von Asconada 1047 erwähnt.
Aus ganz Europa führen „Jakobswege“ nach Nordspanien. Damit es nicht zu Verwirrungen kommt hat eine Expertenkommission des Europarats vorgeschlagen, nur einen Teil des Weges in Nordspanien als Jakobsweg zu bezeichnen und die übrigen Teile des Wegenetz‘ als „Wege der Jakobspilger“ zu nennen.
Heute sind auf den tausenden Kilometer immer mehr Menschen unterwegs. In der Moderne gerieten die Wege fast in Vergessenheit – in den 70er Jahren ließen sich im Schnitt nur wenig mehr als 100 Pilger registrieren. Im Jahr 2019 waren es wieder 347.000!
Sie alle begeben sich auf die Spuren Millionen christlicher Pilger, die das Grab des Jakobus besuchen wollten. Im Mittelalter erlebte der Jakobsweg seinen Höhepunkt. Die ersten deutschen Pilger erreichten den spanischen Wallfahrtsort um 930, anschließend entwickelte sich der Ort als das Pilgerziel der katholischen Christenheit.
Das Jakobusgrab als Anziehungspunkt europäischer Christen
In Spanien galt der heilige Jakobus als Schutzheiliger der Christen in islamischen Al-Andalus und eine Wallfahrt zu seinem Grab verhieß die Einfahrt ins Paradies nach dem jüngsten Gericht für den Pilger.
Im heutigen Frankreich und Deutschland sorgten die Eroberungen Karls des Großen für die Bekanntheit des Grabs als Pilgerziel. Auf seinem Spanienfeldzug habe der Kaiser eine Vision des Jakobus im Traum gehabt, der ihm befohlen hätte den Ort seines Grabmals für die Christenheit zu erobern.
Bild von guillermo gavilla auf Pixabay
Die große Anzahl von Pilgern in Europa sorgte dafür, dass ein Netz von Pilgerherbergen ausbildete. Diese einfachen Unterkünfte boten den Reisenden auf Wallfahrt ein einfaches Bett und wurden durch Spenden und Stiftungen finanziert. Die Pilger durften nur für eine Nacht in der Herberge bleiben.
Der Jakobsweg heute
Sowohl das Wegenetz wie die Idee der Pilgerherbergen wurden in Europa seit den 80er Jahren wieder gepflegt und seitdem zeigt sich ein steigendes Interesse. Viele Menschen wandern nicht von ihrer Heimat aus nach Santiago, sondern gehen nur die letzten 100 Kilometer in Spanien oder wandern auf anderen Teilstücken der Wege der Jakobspilger.
Noch immer sind viele Wanderer aus religiösen Gründen auf den Jakobswegen unterwegs. Wer auf dem Weg nach Santiago sein Seelenheil erreichen möchte, kann der kann seinen Weg auf den letzten 100 Kilometern von einem Reisebüro organisieren lassen. Diese Option ist vor allem für ältere Pilger interessant, die die beschwerliche Reise nicht mehr ohne Unterstützung bewältigen können.
Auch das Wandern auf dem Jakobsweg in Deutschland erfüllt den Wunsch nach religiöser Erfüllung eines Pilgers. Es muss nicht der Weg bis Spanien sein, um Buße zu tun. Schließlich ist nach christlicher Lehre nicht der Wallfahrtsort entscheidend für die Pilgerreise – sondern die Mühe der Wallfahrt selbst.